„Eine Opernsanierung ist ein Himmelfahrtskommando“
Matthias Iken, April 4, 2025
Hamburg. Jörg Friedrich hat Konzerthäuser wie Theater saniert und errichtet. Den Neubau eines Opernhauses in der HafenCity hält er für eine „einmalige Chance“.
Hamburg diskutiert den Bau einer neuen Oper auf dem Baakenhöft. Der Milliardär Klaus-Michael Kühne ist bereit, seiner Heimatstadt ein spektakuläres Konzerthaus für mehrere Hundert Millionen Euro zu schenken, die Vorplanungen laufen. Die Politik reagiert verzückt auf das Großprojekt: Bürgermeister Peter Tschentscher hofft auf ein „Opernhaus von Weltrang, das wie die Elbphilharmonie die Kultur in unserer Stadt bereichern und ihre internationale Strahlkraft beflügeln soll.“
Doch was sagen Architekten zu der Idee? Jörg Friedrich und sein Studio PFP haben viele Kulturbauten geplant, saniert oder neu errichtet. Sein Büro baute das Festspielhaus Salzburg um, das Große Theater in Düsseldorf, setzte das Schauspielhaus in Nürnberg instand, erweiterte das Theater in Würzburg. Er begrüßt die Idee der Schenkung: „Ich finde es unglaublich bewundernswert, dass in diesen Zeiten ein Mäzen auf den Gedanken kommt, eine Oper für eine Stadt zu errichten“, sagt der emeritierte Architekturprofessor. „Wer hat heutzutage schon Interesse an Kultur?“
Opernsanierung: Ein teures Himmelfahrtskommando
Die Sorgen um die Oper an der Dammtorstraße seien berechtigt. Der 73-Jährige begrüßt die Idee des Senats, das Haus dort zu sanieren. Seine Idee: „Ballett benötigt viel weniger Raum und Volumen, vor allem aber nicht die schwierige Hinterbühnen-Konstruktion.
Damit wäre das Thema eigentlich gelöst: Die neue Oper in der HafenCity, das Balletthaus bleibt in der Stadt.“
Bei der Präsentation der Idee führte Kultursenator Carsten Brosda (SPD) ein starkes Argument für einen Neubau ins Feld: Die Sanierungskosten in Köln und Stuttgart liefen aus dem Ruder, in Düsseldorf entschied man sich gleich, lieber neu zu bauen. Für Friedrich verständlich: „Es ist teurer, eine Oper zu renovieren, als sie neu zu bauen.
Diese Häuser sind dermaßen verwurstelt, dass man die alte Technik komplett rausreißen und dann eine neue einbauen muss. Dafür fehlt aber meist der Platz. Eine Opernsanierung ist ein Himmelfahrtskommando.“
Kostenexplosion bei Kölner Sanierungsprojekten
Zudem müssten marode Altbauten saniert werden. In Köln saß Friedrich im Preisgericht.
„Es war damals schon klar, dass die avisierten Kosten nie einzuhalten waren. Es hat sich nur niemand getraut, das öffentlich zu sagen.“ 2011 hatte die Stadt für die Sanierung von Schauspiel und Oper noch Kosten von 253 Millionen Euro veranschlagt, inzwischen liegt der Gesamtpreis bei 1,45 Milliarden Euro. „Deswegen finde ich es umso beachtlicher, dass Hamburg sich eine neue Oper leisten kann.“
Beim Neubau des Konzerthauses in München gewann PFP in einem großen Wettbewerb 2017 den zweiten Preis. Doch auch der Sieger, Cukrowicz Nachbaur Architekten aus Bregenz, wurde nicht glücklich. Ihr 1,3-Milliarden-Projekt mit dem Spitznamen „Schneewittchensarg“ wurde beerdigt, abgespeckt und neu ausgeschrieben. „Das ist bitter für die Planer. Ich bin froh, dass wir nur den zweiten Preis gewonnen haben.“
In seiner Heimatstadt begann die Liebe zum Kulturbau
In Hamburg hat Friedrich den Resonanzraum im Bunker geschaffen. „Eigentlich ist das eine umgerüstete Etage mit einem minimalen Investitionsvolumen, aber einem maximalen Wert. Auch ein Altbau, der nicht für Musik geeignet ist, kann eine tolle Stimmung erzeugen.“ Besonders stolz ist er auf das neue Theater in Erfurt. „Es war besonders schön, in meiner Geburtsstadt den europäischen Wettbewerb zu gewinnen.“
Über dieses Haus entwickelte er ein Faible für Kulturbauten. „Dieser Architekturwettbewerb 1997 war öffentlich, sodass wir uns als junges Architekturbüro aus Hamburg beworben haben. Da haben wir großes Know-how erworben, weil solche Projekte bis zur Realisierung fünf bis zehn Jahre dauern. Das sind unglaubliche Planungszeiten, unglaubliche Bauzeiten.“
Noch aus einem anderen Grund bewarb er sich damals in Erfurt. „Ich habe eine tiefe Liebe zur Musik und bin seit meiner Kindheit begeisterter Opernfan“, sagt der Hobbypianist. „So sind wir in ein enges Spezialgebiet hineingerutscht, was andere Architekten kaum beherrschen: Da geht es um Akustik, um Bühnentechnik, um große Räume.“ Sein Büro habe danach viele Theater gebaut und hinzulernen können.
Anders als andere zog es ihn weniger ins Ausland oder nach Fernost, wo der Neubau von Kulturpalästen zum guten Ton gehört: „Ich baue ungern in Ländern, deren Sprache ich nicht spreche. Ich möchte beim Planungsprozess diskutieren.“ So konzentriert er sich auf Mitteleuropa und Italien, wo Friedrich studiert hat.
Opernhaus-Projekt: Friedrich will mitmischen
Dort begann er auch das Wagnis Selbstständigkeit: „Wir hatten damals den Wettbewerb für eine große Bank in Frankfurt gewonnen. Mit unserem Entwurf mussten wir drei langhaarigen, revolutionären Architekten zum Vorstand. Der bekam es mit der Angst zu tun und hat uns den Entwurf abgekauft. So haben wir uns als Beginn für unsere Karriere ein Büro in Venedig finanziert.“ Mit Jürgen Böge und Ingeborg Lindner arbeitete er zunächst in Venedig, 1981 gründeten sie zu dritt in Hamburg ihr erstes Architekturbüro. 1986 ging Friedrich eigene Wege.
Das neue Opernhaus in der HafenCity findet Friedrich auch als Auftrag interessant. „Wir würden gern unseren Hut in den Ring werfen“, sagt er. „Hamburg ist unsere Heimat, und wir sind hier das einzige Büro, das ein Dutzend Theater und Opernhäuser gebaut hat. Da müssten wir eigentlich in ein Qualifizierungsverfahren einbezogen werden.“
Skandinavischer Entwurf begeistert Kühne
Für den Bau der neuen Oper wird es einen Architekturwettbewerb geben, zu dem nach Klärung der theaterfachlichen Vorplanungen fünf erfahrene Büros eingeladen werden, stellte der Senat im Februar klar. Am Ende soll eine Jury aus Vertretern der Kulturbehörde, der HafenCity GmbH, der Kühne-Stiftung, dem Oberbaudirektor und dem Stifter eine einvernehmliche Lösung treffen.
Dem Mäzen wird eine zentrale Rolle zufallen, sagt auch Brosda. „Gegen den Stifter kann man nicht entscheiden – er will das Gebäude ja schenken.“ Nach Informationen des Abendblatts gibt es bereits einen Entwurf eines skandinavischen Büros, der Kühne begeistert. Angeblich soll dieser von Snöhätta oder Henning Larsen, dem Erbauer der Oper in Kopenhagen, stammen.
„Diese Namen tauchen bei allen Wettbewerben auf“, sagt Friedrich. Eine zentrale Frage für einen Neubau auf dem Baakenhöft ist für ihn die Erreichbarkeit. „Wie kommen die Besucher dorthin? Wie ist die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr?“ Davon hänge der Erfolg des Hauses ab – und von seinem Umfeld: „Was ist, wenn die Oper zu Ende ist? Was mache ich auf diesem Grundstück, wenn der Rest der Stadt schläft?“
Fertigstellung der Oper bis 2032 möglich
Unklar bleibt, wie teuer das neue Gebäude in der Skyline zwischen Elbtower und Elbphilharmonie wird. Die Stadt übernimmt die Erschließung und den Sockel, alles Weitere will der Schweizer Milliardär und Herzenshamburger Kühne stiften. Ursprünglich wollte er nicht mehr als gut 300 Millionen Euro bezahlen, zuletzt lag dieser Deckel höher; „eine Milliarde“ dürfe es aber nicht kosten, hieß es.
„Das muss es auch nicht, man kann ja zur Not ein paar Plätze streichen“, sagt Friedrich.
„Aber 300 Millionen Euro reichen noch nicht ganz.“ Klaus-Michael Kühne ist inzwischen 87 Jahre alt. „Ich rechne mit einer Fertigstellung zwischen 2030 und 2032“, hatte er dem Abendblatt gesagt. Friedrich hält das für möglich: „Vieles hängt vom Genehmigungsverfahren ab. Wenn das klappt, kann die Oper in fünf Jahren stehen.“
Der Hamburger Architekt wünscht sich ein Qualifizierungsverfahren statt eine Direktvergabe. „Ich hätte sonst Sorgen, dass die Öffentlichkeit zu wenig zum Zuge kommt und es allein um privaten Geschmack geht.“ Friedrich plädiert für einen engeren Wettbewerb. „Was gibt es Schöneres, als zwischen fünf Opernhäusern auszuwählen und sich das Beste herauszupicken? Das ist Luxus pur.“
Opernhaus Plus: Mehr als ein Konzerthaus
Dabei sollten auch deutsche Architekten zum Zuge kommen. „Wir sind da ein bisschen merkwürdig.“ Er sei häufiger Preisrichter in internationalen Wettbewerben. „In Spanien etwa ist es selbstverständlich, dass spanische Büros gewinnen. Bei uns ist es andersherum: Oft gelten die eigenen Architekten nicht so viel.“ Sein Büro kämpfe regelmäßig in der gleichen Liga mit diesen ausländischen Kollegen. „Mal gewinnen wir, mal gewinnen die anderen.“
Ein Thema, das ihn umtreibt, sind vertikal organisierte Häuser. „Bislang sind Opernhäuser immer horizontal organisiert. Eine neue vertikale Struktur ergäbe neue Möglichkeiten: Da ließe sich das Entstehen der Opernproduktionen dann im Stadtbild von außen leuchtend miterleben.“ Ein reines Konzerthaus an diesem Standort sei nicht genug, sagt Friedrich. „Es muss ein ,Opernhaus Plus‘ sein, das die Menschen zu allen Tageszeiten an die Elbe lockt.“
Bezahlbarer Wohnraum: Herausforderung und Ziel
Studio PFP kümmert sich nicht nur um Prestigeprojekte, sondern auch das alltäglich Notwendige. So stammt die Wohnbebauung des Bavaria Geländes auf St. Pauli aus dem Büro an der Jarrestraße, 2018 wurden 130 Wohnungen am Baakenhafen fertiggestellt.
„Mich treibt neben den Kulturbauten die Frage um, wie wir bezahlbarem Wohnungsbau realisieren können.“
2015, als rund eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kamen, befasste er sich im Büro und als Dekan der Fakultät für Architektur an der Leibniz-Universität Hannover mit einer zentralen Frage: „Wie schaffen wir schnell angemessene Unterbringung der Neuankömmlinge im Herzen der Städte, in der Mitte der Gesellschaft? Wir haben die Zuwanderung nicht als Problem, sondern als Chance betrachtet. Aber die Unterbringung in Baracken ist eine unmenschliche Art der Eingliederung.“
Friedrich kritisiert moderne Baupolitik
Statt Notaufnahmen in Containern und Zelten ging es dem Vater von zwei Kindern um
„wertschätzende Unterkünfte“, um günstiges Bauen mit modularen Systemen, um die Nutzung bestehender Bausubstanz. „Wir dachten an Bürobauten, die leer stehen, oder an Aufstockungen in der Stadtmitte. Aber diese Verdichtung und den Ausbau der Innenstädte hatte keine Lobby. Dadurch waren wir zum Scheitern verurteilt.“
Das bedauert Friedrich bis heute: „Wir machen uns über jeden Wald Gedanken. Mit den Menschen gehen wir erheblich brutaler um.“ Der Wiederaufbau nach dem Krieg etwa durch die Neue Heimat sei menschenfreundlicher gewesen als die Unterbringung heute.
„Ich finde es schade, dass wir an diese tolle Tradition in Deutschland nicht anknüpfen.“
Fünf Fragen an Jörg Friedrich
Meine Lieblingsstadt ist Venedig. Dort habe ich meine Architekturkarriere gestartet – mit zwei Kommilitonen bin ich direkt nach dem Studium dorthin und habe ein Büro gegründet. Es war die schönste Zeit, Italien und Venedig kennenzulernen, bevor die Kreuzfahrtschiffe kamen.
Mein Lieblingsstadtteil ist Harvestehude, genauer die Isestraße, wo ich lebe. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.
Mein Lieblingsgebäude in Hamburg ist das Chilehaus von Fritz Höger und das Krematorium auf dem Ohlsdorfer Friedhof von Fritz Schuhmacher. Das sind grandiose Gebäude, fast bildhaft umgesetzt, ohne kitschig zu werden.
Mein Lieblingsort in der Stadt ist mein Garten an der Isestraße mit Blick auf den Kanal.
Einmal mit der Abrissbirne … kommt für mich nichts infrage. Jeder Abriss ist umweltschädlich, jedes Gebäude lässt sich umbauen. Da helfen wir gerne.